Verbindung heilt – der Leitspruch von ZentAura
Reiten mit frühkindlichem Autismus
Es ist die 2. Stunde von Y. Er kommt zur Reittherapie, er hat frühkindlichen Autismus. Und er liebt reiten, wie andere Kinder auch.
Ich war schon in der 1. Stunde erstaunt, dass er häufig meine Sätze wiederholt und auch Antworten gibt. Das ist mit seiner Diagnose nicht selbstverständlich. Am meisten begeistert ihn schnell reiten, dann traben wir einige Tritte. Diese deutliche Bewegung geht schwungvoll durch seinen ganzen Körper, er lacht laut und fordert weiter: “ Schnell reiten!!“
Heute sitzt er kaum auf dem Pferd, da beginnt sein Gesicht zu leuchten. Er schaut verhalten weg und fordert leise:“ Fr. Siegel, singen!“
Also singe ich bestimmt 10 mal das Lied:“ Ach wie bin ich müde, … doch es ist ja heller Tag…“ und es folgen viele Bewegungen mit verschiedenen Körperteilen. Y. strahlt und „verweigert“ die einzelnen Körperteile aktiv. Soll er die Füße bewegen, macht er die Füße fest und wartet mit blitzenden Augen, dass ich ihn dort kitzel oder schüttel. So arbeiten wir verschiedene Körperteile durch und ich muss lächeln: Seine Verweigerung ist so vordergründig. In Wahrheit ist er während des ganzen Spiels mit mir im Kontakt und er ist im Kontakt mit seinen Körperteilen. So erfindet er die Progressive Muskelentspannung auf seine Art neu :-))
Nach schier endlosen Wiederholungen, jedesmal blitzenden Augen und einem strahlenden Y. verändere ich bei einigen Körperteilen meinen Anspruch. Ich singe erst weiter, wenn er z.B. an der richtigen Stelle auch in die Hände klatscht. Er lässt sich ein und wir handeln in jeder Runde die Regeln neu aus. Seinen dringenden Wunsch zu singen wiederholt er trotzdem. Er geht keine Sekunde aus dem Kontakt und ich bin sehr begeistert.
Allerdings geht mir doch irgendwann die Puste aus und ich versuche aus unserem Spiel auszusteigen.
Aber so überzeugend ich auch das Spiel versuche zu verweigern, diesen bittenden, großen und dunklen Augen kann ich nicht widerstehen, wenn er leise sagt: “ Fr. Siegel, bitte singen einmal letztes mal singen bitte.“
Sein Spielangebot sieht so aus: Er nimmt seinen Kopf hoch und mit Schwung, als wollte er einen Kopfsprung ins Wasser machen, fällt er in den Schlaf! DAS ist SO goldig, dass ich nicht widerstehen kann. Auf geht es in Wiederholung 20 :-))
Heute ist Y. in der 6. Stunde bei mir am Pferd. Unsere Regeln sind weiter variabel. Wir wechseln uns ab. Einmal singe ich und er macht die meisten Bewegungen mit und einmal singt er. Dabei mache ich die Bewegungen.
Und wir singen neue Lieder.
Seine Mutter bestätigt mir, dass er in keiner Therapie so viel redet. Und die Zeit auf dem Pferd ist die einzige, in der er nicht mit seinen Armen flattert.
Das hat er nicht nötig, weil er sich spürt und, weil er mit sich und mit mir im Kontakt ist.
Wir brauchen Verbindung in uns selbst, um mit anderen zu kommunizieren. Und umgekehrt: über den Kontakt mit dem anderen bekomme ich einen Zugang und eine Rückmeldung für mich selbst.
Das gilt in der Reittherapie ebenso wie für jeden von uns!
Hier bekommt Y. von meinem Pferd eine Rückmeldung zu seinem eigenen Körper. Er kann sich besser spüren, der ganze Körper erfährt Rhythmus. Das gibt zusätzlich ein sicheres Gefühl.
Dieses ruhige sichere Gefühl in deinem Körper wünsche ich auch DIR in jeder Kommunikation, in jedem Gespräch!
Bleib bei dir und genieße die Verbindung mit dir selbst! Das ist das größte Glück, was geschehen kann.
Von Herzen, Petra Siegel